Kinder wegsperren! So lautet die eigentliche, bildliche
Botschaft der SVP im Abstimmungskampf um den Familienartikel. Kinder, vor allem
von benachteiligten Familien, sollen eingesperrt bleiben - in ihren Lebensbedingungen, die dem
schulischen Erfolg nicht förderlich sind. Wir wissen, dass die Sozialisationsleistungen
von wenig begüterten und / oder von Migrantenfamilien oft nicht dem schulischen
Standard entsprechen. Man spricht denn auch etwa von bildungsfernen Schichten.
Bourdieu und Passeron (1974) haben den Begriff des Habitus geprägt und meinen damit ein Ensemble von
Verhaltensmustern, Einstellungen und Werthaltungen sowie sprachlichen
Ausdrucksformen, welche im familiären Leben den Kindern mitgegeben werden. Die
Begegnung des Habitus von Kindern aus wenig begüterten Familien und dem Habitus
der Schule, der die von Mittel- und Oberschicht definierte Norm repräsentiert,
geht für diese Kinder mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ungünstig aus.
Die Folgen sind eindeutig, wie etwa Moser (2005)
nachgewiesen hat:
Einfluss
der sozialen Herkunft auf Fähigkeiten von Kindern beim Schuleintritt
Das
Bild ist eindeutig: In allen
Kompetenzbereichen weisen Kinder aus
benachteiligten Bevölkerungsschichten und vor allem aus Migrationsfamilien Defizite
auf gegenüber Kindern aus privilegierten Schichten und Einheimischen. Es ist
gerade so, wie wenn beim 100 Meter Wettkampf einige LäuferInnen am Start bereits
10 Meter Vorsprung hätten, während andere um 10 Meter zurückversetzt würden und
erst noch einige Hürden zu überwinden hätten. Damit wird das vielgerühmte
Prinzip der Meritokratie zur Farce, setzt doch Chancengleichheit voraus, dass alle die gleichen
Startbedingungen haben.
Aber
dem kann man abhelfen. Wir wissen dass vorschulische qualitativ gute Betreuung
und Förderung einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit darstellt. Dazu
muss sich natürlich die öffentliche Hand engagieren, da rein private
Initiativen eben diese Chancengleichheit nicht gewährleisten. Und genau das
will der neue Familienartikel in der Bundesverfassung, der am 3. März zur
Abstimmung kommt. Und genau das will die SVP mit ihrer Kampagne verhindern.
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Bildungsdirektion
Kanton Zürich. (2005). Für die Schule bereit? Lernstandserhebung beim
Eintritt in die ersten Klassen des Kantons Zürich. Zürich: Bildungsdirektion.
Bourdieu Pierre, & Passeron
Jean-Claude (1970). La Reproduction.
Éléments pour une théorie du système d’enseignement. Paris:
Éditions de Minuit
Moser Urs (2005),
Lernvoraussetzungen in Schulklassen zu Beginn der 1. Klasse. In: Moser U.,
Stamm M.,
Hollenweger
J. (Hrsg.), Für die Schule bereit? Lesen, Wortschatz, Mathematik und soziale
Kompetenzen beim
Schuleintritt.
Oberentfelden: Sauerländer