Signifikanz ist ein Begriff aus der Statistik
und bedeutet ,dass ein Parameter, der aus einer Stichprobe gerechnet wurde,
also beispielsweise eine Differenz oder eine Korrelation, mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit auch in der Grundpopulation existiert, d.h. nicht
zufälligerweise durch das Ziehen der Stichprobe entstand. Je grösser die
Stichprobe, desto kleiner ist die Schwankungsbreite der Zufälligkeit und umso
eher wird somit ein Parameter als signifikant beurteilt. Bei einer grossen
Stichprobe werden deshalb schon kleine Differenzen oder tiefe
Korrelationskoeffizienten als im statistischen Sinne signifikant bezeichnet.
Anders als im Sprachgebrauch des Alltages,
heisst jedoch statistische Signifikanz noch lange nicht "wichtig"
oder "bedeutsam" in einem gesellschaftlichen Sinne. Nicht jeder
Unterschied, der zwar statistisch signifikant ist, ist deshalb
"relevant", das heisst wichtig als soziale Problematik. Es ist
deshalb immer neben der automatischen Berechnung von Signifikanz-Niveaus auch auszuloten,
auf Grund etwa theoretischer Überlegungen und Kenntnisse, ob ein Sachverhalt im Sinne der
Fragestellung als bedeutsam beurteilt werden darf (siehe etwa Bressoux 2008).
Diese Diskussion kommt mir in den Sinn bei der Lektüre einer Studie der SKBF - Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung - ,
welche unter dem Schlagwort Overeducation - d. h. Überqualifizierung (gibt es das??) - die Passung zwischen
universitärer Ausbildung und Arbeitsmarkt untersucht. Dabei wird festgestellt, dass
mehr als 90% der erwerbstätigen Universitäts-Absolventen fünf Jahre nach Studienabschluss eine Stelle
haben, wo sie ihre erworbenen Fähigkeiten einsetzen können und dabei auch noch
gut verdienen. Die Studie beruht auf der Selbstdeklaration von Diplomierten der
universitären Hochschulen. Grafisch kann man das Hauptergebnis wie folgt illustrieren:
Situation der
erwerbstätigen Universitätsabsolventen 5 Jahre nach Abschluss
Quelle der Angaben: Diem & Wolter 2013 |
Der Anteil mit einer inadäquaten Stelle ist
somit sehr klein. Er wäre noch kleiner, wenn die Absolventen der Medizin und
der Rechtswissenschaften - also der spezifisch beruflich ausgerichteten
Bereiche - auch eingeschlossen wären und / oder
das Kriterium der Inadäquanz weniger streng definiert würde.
Da kann
man ja den schweizerischen Universitäten nur gratulieren. Sie bilden
offensichtlich sehr wirtschaftsnahe aus und vermitteln überwiegend jene
Kompetenzen, welche im Arbeitsmarkt auch gesucht werden. Zudem ist Inadäquanz
zum grossen Teil eine vorübergehende Erscheinung, fanden doch drei Viertel der Personen, die ein
Jahr nach Studienabschluss noch nicht auf einer adäquaten Stelle beschäftigt waren,
im Laufe der folgenden vier Jahre eine Beschäftigung, welche ihrer Ausbildung entspricht. Damit bestätigen die
Resultate jene Indikatoren, die für Hochschulabsolventen kleine
Arbeitslosenquoten nachweisen und zeigen, dass sich ein Studium nach wie vor
lohnt. Auch der Vergleich mit der gesamten Erwerbsbevölkerung oder mit
ausländischen Verhältnissen zeigt ein positives Bild für die universitären
Absolventen.
Doch von solchen Überlegungen findet sich nur
wenig in den Schlussfolgerungen der Studie. Im Gegenteil. Zum Hauptproblem gemacht
wird hier der marginale Anteil derjenigen, die nicht adäquat
beschäftigt sind,. Mit komplexen multivariaten Berechnungen werden dabei auch
Einflussfaktoren bestimmt, wobei natürlich bei einer Stichprobe von mehreren
Tausend Befragter viele Resultate als statistisch signifikant beurteilt werden.
Und unter der wenig plausiblen Annahme
konstanter Arbeitsverhältnisse werden Einkommen für die gesamte
Lebenszeit errechnet und darauf hingewiesen, dass sich für diesen verschwindend
kleinen Anteil an inadäquat Beschäftigten ein Studium finanziell nicht lohnt
und auch für den Staat ein Verlustgeschäft darstellt.
Hier wird wohl Signifikanz mit Relevanz
verwechselt und eine Randerscheinung zu einem grossen Problem emporstilisiert. Zudem
ist auch fragwürdig, wie der Nutzen guter Bildung sowohl für Individuen als
auch für die Gesellschaft („den Staat") auf eine rein ökonomische, monetäre
Dimension reduziert wird. Menschen sind ja in verschiedenen Rollen tätig, nicht
nur als wirtschaftliche Akteure im bezahlten Beruf, sondern beispielsweise auch
in der Familie, in der Politik, in der Kultur, in den persönlichen
Beziehungen und im weiten Feld der
unbezahlten und der Freiwilligenarbeit. Und solche Funktionen sind auch von
grossem gesellschaftlichem Wert. Es wäre wohl wünschenswert, wenn die
Bildungsökonomie ihren Blickwinkel entsprechend erweitern würde.
Bressoux, P. (2008). Modélisation statistique appliquée aux sciences
sociales. Bruxelles: De Boeck.
Diem, A. & Wolter, S. C. (2013). Nicht
ausbildungsadäquate Beschäftigung bei Universitätsabsolventen und -absolventinnen:
Determinanten und Konsequenzen: Eine Analyse auf Basis der Schweizer
Hochschulabsolventenbefragungen (SKBF Staff Paper 9 No. 9). Aarau: SKBF