Dieser
Post handelt nur wenig von Bildung; aber nach den Ergebnissen der letzten
Volksabstimmung muss man sich ja ein paar Gedanken zum Ausländerproblem machen.
Obschon, ein wenig ist ja auch die Schule davon betroffen. Denn die
ausländische Bevölkerung verursacht ja nicht nur überfüllte Züge, knappen
Wohnraum und Dumpinglöhne, sondern auch das, was das Bundesamt für Statistik „kulturelle
Heterogenität der Schulabteilungen“ nennt: Schulklassen, in denen 30% oder mehr der Schülerinnen und Schüler ausländischer
Nationalität sind oder über eine ausländische Muttersprache verfügen. Vier von
zehn Schulklassen in der Schweiz sind in dieser Lage, wo fremdartige Kinder die
eingeborenen Mitlernenden durch unschweizerisches Gehabe erschrecken und für
die Lehrkräfte eine Herausforderung darstellen: Wie soll man jemandem das
Rechnen beibringen, die aus einem Land kommt, wo etwa Eisbein gegessen, oder „Küss
die Hand, Gnä‘ Frau“ gesagt oder von der amalfitanischen Küste geschwärmt wird?
Die Menge machts. Und so sind wir ja wieder einmal internationale
Spitze mit einem Anteil an ausländischen Staatsangehörigen von 22.3% im Jahre
2012 (gemäss BFS). Da sind die 9% von Deutschland oder die 6% von Frankreich sehr
bescheiden und die 4% für die gesamte EU geradezu lächerlich (Daten: BFS).
Es
ist auf den ersten Blick wohl klar, was mit der „Bevölkerung mit ausländischer
Nationalität“ gemeint ist. Das ist jener Teil der Wohnbevölkerung, der keinen
Schweizer Pass hat und als Erwachsener nicht abstimmen darf, obwohl er hier
lebt und in der Regel hier arbeitet und Steuern bezahlt. Auf den zweiten Blick
allerdings ist dieser Begriff doch mit einigen Fragezeichen behaftet.
„Ausländer/in“
wird ja vielfach als Bezeichnung für das Fremde, für das nicht zur eigenen
Kultur Gehörige, benutzt. Deshalb ist der Begriff und die entsprechende Quote ja
auch so anfällig, um Ängste und Abwehrreaktionen hervor zu rufen. Und es ist wohl
anzunehmen, dass die geographische Distanz einen wichtigen Indikator darstellt:
je weiter weg die Herkunft, umso „fremder“ erscheint uns ein Mensch. Da ist es allerdings
schon erstaunlich, dass beispielsweise für Kreuzlingen eine Person aus dem 6
Kilometer entfernten, deutsch sprachigen Konstanz mit dem Etikett
„Ausländer/in“ versehen wird, jemand aus dem französisch sprachigen, rund 300
Kilometer entfernten Martigny hingegen nicht in die Quote der ausländischen Bevölkerung
einfliesst. Die Legaldefinition der ausländischen Nationalität ist
offensichtlich nicht optimal, um die gesellschaftliche Problematik von
„Fremdem“ und „Eigenem“ zu betrachten.
Gedankenspiele
Wenn
wir diesen Gedanken weiterspinnen, könne wir die Schweiz mit ihren rund 8 Mio
Einwohnern mit dem deutschen Bundesland Niedersachsen vergleichen, wo gemäss
dem Statistischen
Bundesamt etwa gleich viele Leute, nämlich rund 7.8 Mio Leute
leben. Falls nun ein Unternehmen Arbeitskräfte sucht, ist das Potential,
welches unmittelbar in den eigenen Grenzen verfügbar ist, in der Schweiz und in
Niedersachsen etwa gleich. Wenn das Unternehmen jedoch über die Grenzen des
eigenen geografischen Raumes hinaus muss, so betrifft dies in der Schweiz
sofort die Ausländerproblematik, in Niedersachsen hingegen steht noch ein Raum
mit 72 Millionen „einheimischen“ (deutschen) Einwohnerinnen und Einwohnern für
die weitere Rekrutierungsstrategie zur Verfügung. Und man stelle sich nun vor
(rein hypothetisch natürlich), Niedersachsen würde die Unabhängigkeit von
Deutschland deklarieren und einen selbständigen Staat bilden – die
Ausländerquote, welche im Moment nur 6.3% beträgt, würde sofort gewaltig
ansteigen.
Dieses
Beispiel zeigt, dass Ausländeranteile international nicht einfach vergleichbar
sind. In der Tat sind Migrationsströme ähnlicher Grössenordnung in grossen Ländern wenig
problematisch, da sie oft als Binnenwanderungen auftreten, bei kleinen Ländern
jedoch werden sie rasch zu einem „Ausländerproblem“. Und so haben denn auch
kleine Länder wie die Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein hohe
Ausländeranteile (23%, 43% und 33%), grössere Länder hingegen wie Deutschland,
Frankreich oder Grossbritannien (9%, 6% und 8%) vergleichsweise kleine.
Lösungswege für die Schweiz
Das
Beispiel zeigt auch Lösungswege für die Schweiz auf, wo ja bekanntlich die hohe
Quote von Personen, welche keinen Schweizer Pass haben, für überfüllte Züge,
knappen Wohnraum und ähnliche Probleme verantwortlich sein sollen. Wenn
beispielsweise die EU sich von einem Staatenbund zu einem Bundesstaat wandelte,
also eine eigentliche Nation wie die USA würde, und die Schweiz dann beitritt,
dann sinkt die Ausländerquote in der Schweiz um rund zwei Drittel – da ja dann
alle EU-Bürger automatisch zu Inländern würden. Dann wäre das Ausländerproblem
weitgehend aus dem Weg geschafft, und wir könnten uns jenen Problemen annehmen,
welche sich tatsächlich stellen.
Ein
anderer Weg wäre geradezu entgegengesetzt. Wir fahren weiter auf dem Weg der
Abschottung und verstärken ihn auch innerhalb der Schweiz: Kantone, Regionen,
ja auch grössere Gemeinden werden zu eigenständigen Nationen, mit eigenen
Zöllen, eigener Währung und eigenen Pässen – natürlich immer mit dem Argument,
das wir (auch auf regionaler Ebene) selber und unabhängig von zentralen Instanzen bestimmen wollen. So
würden wir immer kleinräumiger die Umgebungen als Ausland definieren, bis wir
Alle Ausländerinnen und Ausländer sind. Und so gibt es dann kein eigentliches
Ausländerproblem mehr – weil uns niemand ausgrenzen muss/kann -, und wir
könnten uns in der Rationalität der Problemlösung dem Ausbau der
Verkehrsinfrastruktur, der Raumplanung, der Siedlungspolitik und sinnvollen
Mindestlöhnen widmen. Allerdings hätten wir dann die Schwierigkeit, dass wir
Alle mit ausländischer Nationalität kein Stimmrecht hätten, um diese Politik zu
bestimmen und zu realisieren.
Fazit
Der
Ausländerbegriff wird benutzt, um „Fremdes“ von „Bei uns“ abzugrenzen, wobei „Fremdes“
oft mit Bedrohung und Bösartigkeit assoziiert wird (Lohndumping, Kriminalität, Sozialhilfe-Betrug).
Er kann deshalb leicht für das Schüren von Ängsten und emotionale Reaktionen benutzt
werden. Eine nähere Betrachtung zeigt allerdings, dass der Begriff und die mit
ihm verbundene Ausländerquote für eine Politik, die sich am Postulat der
Problemlösung orientiert, irreführend und untauglich ist. Verbunden mit statistischen
Taschenspieler-Tricks verleiten sie zu abstrusen Folgerungen und Entscheiden.