28.02.2013

Kinder wegsperren!!

Nochmals zur Abstimmung über den Familienartikel


Kinder wegsperren! So lautet die eigentliche, bildliche Botschaft der SVP im Abstimmungskampf um den Familienartikel. Kinder, vor allem von benachteiligten Familien, sollen eingesperrt bleiben -  in ihren Lebensbedingungen, die dem schulischen Erfolg nicht förderlich sind. Wir wissen, dass die So­zialisationsleistungen von wenig begüterten und / oder von Migrantenfamilien oft nicht dem schulischen Standard entsprechen. Man spricht denn auch etwa von bildungsfernen Schichten.  Bourdieu und Passeron (1974) haben den Begriff des Habitus geprägt und meinen damit ein Ensemble von Verhaltensmustern, Einstellungen und Werthaltungen sowie sprachlichen Ausdrucksformen, welche im familiären Leben den Kindern mitgegeben werden. Die Begegnung des Habitus von Kindern aus wenig begüterten Familien und dem Habitus der Schule, der die von Mittel- und Oberschicht definierte Norm repräsentiert, geht für diese Kinder mit erhöhter Wahrscheinlichkeit ungünstig aus.
Die Folgen sind eindeutig, wie etwa Moser (2005) nachgewiesen hat:
Einfluss der sozialen Herkunft auf Fähigkeiten von Kindern beim Schuleintritt
Quelle : Moser (2005), zit. nach Bildungsdirektion des Kantons Zürich (2005)
Das Bild ist eindeutig:  In allen Kompetenzbereichen weisen  Kinder aus benachteiligten Bevölkerungsschichten und vor allem aus Migrationsfamilien Defizite auf gegenüber Kindern aus privilegierten Schichten und Einheimischen. Es ist gerade so, wie wenn beim 100 Meter Wettkampf einige LäuferInnen am Start bereits 10 Meter Vorsprung hätten, während andere um 10 Meter zurückversetzt würden und erst noch einige Hürden zu überwinden hätten. Damit wird das vielgerühmte Prinzip der Meritokratie zur Farce, setzt doch Chancengleichheit  voraus, dass alle die gleichen Startbedingungen haben.  
Aber dem kann man abhelfen. Wir wissen dass vorschulische qualitativ gute Betreuung und Förderung einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit darstellt. Dazu muss sich natürlich die öffentliche Hand engagieren, da rein private Initiativen eben diese Chancengleichheit nicht gewährleisten. Und genau das will der neue Familienartikel in der Bundesverfassung, der am 3. März zur Abstimmung kommt. Und genau das will die SVP mit ihrer Kampagne verhindern.

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Bildungsdirektion Kanton Zürich. (2005). Für die Schule bereit? Lernstandserhebung beim Eintritt in die ersten Klassen des Kantons Zürich. Zürich: Bildungsdirektion.
Bourdieu Pierre, & Passeron Jean-Claude (1970). La Reproduction. Éléments pour une théorie du système d’enseignement.  Paris: Éditions de Minuit
Moser Urs (2005), Lernvoraussetzungen in Schulklassen zu Beginn der 1. Klasse. In: Moser U., Stamm M.,
Hollenweger J. (Hrsg.), Für die Schule bereit? Lesen, Wortschatz, Mathematik und soziale Kompetenzen beim
Schuleintritt. Oberentfelden: Sauerländer

20.02.2013

Freisinn: Gripen statt Krippen


“Study after study shows that the sooner a child begins learning, the better he or she does down the road. But … today, … most middle-class parents can’t afford a few hundred bucks a week for a private preschool.  And for poor kids who need help the most, this lack of access to preschool education can shadow them for the rest of their lives.. 
Every dollar we invest in high-quality early childhood education can save more than seven dollars later on … In states that make it a priority to educate our youngest children, studies show students grow up more likely to read and do math at grade level, graduate high school, hold a job, form more stable families of their own. We know this works.  So let’s do what works and make sure none of our children start the race of life already behind. Let’s give our kids that chance.“
Soweit Barack Obama in seiner State of the Union Botschaft 2013. In der Stossrichtung stimmt er mit dem Verfassungsartikel zur Familienpolitik überein, der in der Schweiz am 3. März 2013 zur Abstimmung kommt. Bundesrat und Parlament empfehlen, dem neuen Verfassungsartikel zuzustimmen.
Anders die Freisinnig-Liberale Partei. Ihre Präsidentenkonferenz beschloss anfangsFebruar 2013 die Nein-Parole, entgegen der Haltung der freisinnigen Frauen, welche sich für die Verfassungsbestimmung einsetzen. Die FDP.Liberalen begeben sich damit - einmal mehr - ins Fahrwasser der SVP, um konservative Positionen zu vertreten und Lösungen zu verhindern, obschon sie in ihren eigenen Positionspapieren die Ziele des Verfassungsartikels unterstützen.
Unter anderem werden von den bürgerlichen Parteien die hohen Kosten angeführt, obschon diese überhaupt nicht berechnet werden können, da sie von der konkreten Gesetzgebung im Anschluss an den Verfassungsartikel abhängen. Was allerdings feststeht, ist das im internationalen Vergleich relativ  geringe finanzielle Engagement der Schweiz für die frühkindliche Erziehung.
Jährliche Ausgaben pro Kind in der Vorschulerziehung
In US-Dollar, kaufkraftbereinigt


Praktisch gleichzeitig haben die Freisinnigen - im Gleichschritt mit den anderen bürgerlichen Parteien - eine Kehrtwendung bei der Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges vollzogen. Noch im letzten Herbst hat der FDP- Präsident den schwedischen „Gripen“ deutlich kritisiert. Nun aber gibt es offensichtlich keine Hindernisse mehr, diesem Geschäft zuzustimmen.  Beschaffungen in Milliardenhöhe für Kriegsspiele, deren Zweck nicht einmal Armeeanghörige einsehen, sind offensichtlich kein Problem.